Was ist eigentlich ein Ketzer – und wie soll man mit ihm umgehen? : Sebastian Castellios Schrift gegen die Ketzerverfolgung (1554) als Beispiel für die Wurzeln moderner Toleranz in der Frühen Neuzeit
Im Jahr 1553 wurde der spanische Antitrinitarier und Arzt Miguel Serveto verhaftet, weil er die Einheit des Wesens Jesu Christi mit Gott und dem Heiligen Geist in Frage gestellt hatte. Schließlich wurde er zum Tode verurteilt und hingerichtet. Dies löste eine heftige Debatte über den Umgang mit so genannten Häretikern aus, die maßgeblich von Sebastian Castellios 1554 veröffentlichter Schrift De haereticis an sint persequendi beeinflusst wurde. In dieser Schrift sprach sich Castellio vehement gegen die Hinrichtung von Christen aus. Unter Bezugnahme auf das biblische Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut lehnte er jegliche Gewalt ab und plädierte ausschließlich dafür, religiöse Nonkonformisten durch Worte zu überzeugen, wobei er darauf hinwies, dass das Jüngste Gericht über jeden Menschen ausschließlich Gott obliege und dass kein Mensch den wahren Glauben mit absoluter Sicherheit erkennen könne. Castellio lehnte auch Zwangsbekehrungen ab, da das Gewissen ohnehin nicht gezwungen werden könne. Er zog die Orthopraxie (moralisch korrektes Verhalten) dem korrekten Glauben vor und plädierte dafür, religiöse Nonkonformisten zu tolerieren, anstatt sie zu töten. Allerdings entspricht seine ›Toleranz‹ noch nicht dem modernen Konzept, wie es im ›Ablehnung-Respekt-Modell‹ von Bernd Simon beschrieben wird, da die Zähmung der Missbilligung noch nicht in einer Gleichheitsanerkennung, sondern in der Berufung auf einen epistemologischen sowie einen eschatologischen Vorbehalt begründet ist.
In 1553, the Spanish antitrinitarian and physician Miguel Serveto was arrested for having questioned the unity of the essence of Jesus Christ with God and the Holy Spirit. Eventually, he was sentenced to death and executed. This gave rise to a vaste debate on how to deal with so-called heretics, which was significantly influenced by Sebastian Castellio’s anthology De haereticis an sint persequendi, published in 1554. In this writing, Castellio vehemently argued against the execution of Christians. Referring to the biblical parable of the wheat and tares, he declined any violence and pleaded exclusively for convincing religious nonconformists by words, pointing out the fact that the Last Judgement on each man was exclusively up to God and that any man could not recognise the true faith with absolute certainty. Castellio also rejected forced conversions, as the conscience could not be forced anyway. He favoured orthopraxy (morally correct behaviour) over correct belief and pleaded for tolerating religious nonconformists instead of killing them. However, his ›tolerance‹ does not yet correspond to the modern concept as described in Bernd Simons’ ›disapproval-respect model‹, as the taming of disapproval is not yet founded in an equality recognition, but rather in the invocation of an epistemological as well as an eschatological reservation.
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Die Schwierigkeit und Möglichkeit von Toleranz
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