Moralischer Stress bei Assistenzärzt*innen in der Neurologie

Einleitung: Moralischer Stress (MoS) tritt auf, wenn jemand glaubt, die moralisch richtige Handlung zu kennen, aber aufgrund Begrenzungsfaktoren nicht nach diesem Wissen handeln kann. Zusammenhänge zwischen MoS bei Assistenzärzt*innen und Arbeitsplatzwechseln wurden bereits aufgezeigt. Ziel dieser Studie war es, die Häufigkeit des Auftretens, das Ausmaß der Belastung und die Ursachen für MoS bei Assistenzärzt*innen der Neurologie in deutschen Krankenhäusern zu untersuchen.
Methodik: 1. qualitative Phase: Mit fünf Assistenzärzt*innen der Neurologie wurden offene Interviews zu ethischen Konflikten im Klinikalltag geführt. 2. Quantitative Phase: Ein vorläufiger Fragebogen wurde von fünf weiteren neurologischen Assistenzärzt*innen getestet. Der endgültige Fragebogen bestand aus zwölf Items und wurde online und anonym per E-Mail oder vor Ort an 56 Standorten durchgeführt.
Ergebnisse: Einhundertsieben neurologische Assistenzärzt*innen aus 56 Universitäts-/Akut und Rehabilitationskliniken in ganz Deutschland wurden untersucht. 96,3% der Teilnehmenden hatten wöchentlich MoS erlebt (3,86, SD 1,02), weil sie ein Patienten- oder Angehörigengespräch nicht so lange wie gewünscht führen konnten. Fehler in der medizinischen Versorgung, die nicht angemessen kommuniziert werden konnten, wurden als besonders belastend empfunden. 43,0 % der Teilnehmenden gaben an, dass sie darüber nachdachten, den Bereich der stationären Krankenversorgung zu verlassen. 
Diskussion: MoS spielt für neurologische Assistenzärzt*innen in deutschen Krankenhäusern eine wichtige Rolle und hat Einfluss auf die Überlegungen der Teilnehmenden, den Arbeitsplatz zu wechseln. Wichtige Ursachen sind Rationierung (Zeit/Betten) und Anreize für Überdiagnosen sowie fehlende interne Kommunikationskultur und Mentoring.

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